Zukunft leben

Der DE-CIX (Deutscher Commercial Internet Exchange), der Internetknoten in Frankfurt, hat einen neuen Rekord im Datendurchsatz zu Spitzenzeiten aufgestellt. Mit 10 Terabit pro Sekunde wurde am 3. November 2020, kurz nach 20 Uhr, eine neue Schallmauer durchbrochen. Bereits Anfang März hatte der DE-CIX Frankfurt die Rekordmarke von 9 Terabit pro Sekunde erreicht. Jetzt wurde der bisherige Höchstwert aus dem Frühjahr um knapp 10 Prozent in nur wenigen Monaten gesteigert.

Der DE-CIX in Frankfurt ist und bleibt der Internetknoten mit dem höchsten Datendurchsatz der Welt. Ende Dezember 2019 waren es unabhängig von der CORONA-Pandemie bereits 8,1 Terabit. Auch die Internetanbieter melden eine erhöhte Nachfrage nach Verträgen mit hoher Bandbreite über 100 Mbit/s. Home-Office, Videokonferenzen, Home-Schooling, Gaming- und Streaming-Angebote fordern ihren Bandbreiten-Tribut!

Wie sieht es aber mit den Übertragungsnetzen aus? Die Kupferdoppelader und die Koaxialnetze sind nach wie vor der Standard, Glasfasernetze bis in die Wohnungen (FTTH „Fiber To The Home“) sind immer noch eine Seltenheit.

Die Telekom hat zwischenzeitlich erkannt, dass sie mit Vectoring an die physikalische Grenze der Kupferdoppelader stößt und es doch wirtschaftlich sinnvoller ist, direkt in Glasfaser zu investieren. Die Kabelnetzbetreiber setzen ihrerseits immer noch auf die Kupfer-Koaxialkabel. Die „Inhouse-Netze“ im Mehrfamilienhaus sind größtenteils in Sternstruktur aufgebaut und dienen zur Übertragung von früher analogen und heute nur noch digital modulierten Fernsehprogrammen. Einige dieser ursprünglichen TV-Kanäle sind für den Empfang von Daten über das Internet vorgesehen. Aus einem „Rundfunk-Verteilnetz“ wurde so ein „bidirektionales Netz“ mit einem Rückkanal. Mit DOCSIS hat man ein Verfahren entwickelt, das die schnelle Datenübertragung organisiert und das derzeit zumeist angewendet wird. Die Bitrate für das übliche 256-QAM-Signal eines 8-MHz-Kanals ist 55,6 Mbit/s. Durch die Zusammenfassung mehrerer Kanäle (Channel Bonding) werden so die höheren Werte erreicht, die derzeit von Seiten der Kabelnetzbetreiber angeboten werden. Klar sein muss aber, dass es sich um ein SharedMedium handelt – die zur Verfügung stehende Bandbreite müssen sich die Teilnehmer teilen.

Inhouse-Netze in der Zukunft

Es ist davon auszugehen, dass der Bitratenbedarf bei den Endkunden weiter stetig anwächst. Dies erfolgte in den letzten 36 Jahren nach einer Wachstumsfunktion, das heißt Jahr für Jahr circa 50 % Zuwachs („Nielsen‘s Law“). Innerhalb von 10 Jahren entspricht das dem Siebenundfünfzigfachen, und zwar ganz ohne Pandemie-Effekte!

DOCSIS hat zwischenzeitlich bereits den Standard DOCSIS 3.1 entwickelt und 4.0 wurde bereits angekündigt. Realistisch lassen sich heute damit Bitraten von ca. 5 Gbit/s im Downstream erreichen (1 Gbit/s im Upstream). DOCSIS 4.0 soll zu Bitraten von nahezu symmetrischen 10 Gbit/s in Up- und Downstream führen. Es ist aber nicht zu erwarten, dass die Bitraten beliebig gesteigert werden können. Es wird auch hier eine Grenze geben, die nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll überschritten werden kann.

Bis zu dieser Grenze bleiben die Kupfer-Koaxialnetze sicherlich noch in vielen Bereichen für private Endkunden akzeptabel. Danach wird auch für Inhouse-Leitungsverbindungen nur noch eine Glasfaser-Infrastruktur für gesteigerte Bitraten sorgen können.

Empfehlungen für den Inhouse-Netzausbau

Als Berater empfehlen wir eine Migrationsstrategie. Neubauten sollten grundsätzlich mit einem LWL-Netz (Glasfasernetz) ausgebaut werden. Bestehende „gute“ Kupfer-Koaxialnetze können auf die Anforderungen der höheren DOCSIS-Versionen umgerüstet werden. Dabei werden die Kabellinien mehr oder weniger unberührt gelassen. Verstärker, Abzweiger, Dosen und Endgeräte wären aller Voraussicht nach zu tauschen. Bei Modernisierungen (zum Beispiel Strangsanierungen) sollte ebenfalls bereits eine Umrüstung auf eine Glasfaser-Infrastruktur erfolgen.

Die Entscheidung, wann und in welchem Umfang aufzurüsten ist, hängt von wirtschaftlichen Überlegungen ab, insbesondere von Betrachtungen der „Restlebensdauer“ der alten Anlage. Eine technische Überprüfung der „Alt-Anlage“ macht daher generell Sinn. Die Entscheidung für ein Glasfasernetz ist zwar immer zukunftssicher, aber die Kosten für einen Glasfaser-Ausbau müssen mit den „Upgrade-Kosten“ der bestehenden Infrastruktur abgeglichen werden.

Technologie- und Paradigmenwechsel

Die Kabelfernsehnetze vor dem Jahr 2000 dienten der Verteilung von Hörfunk und Fernsehprogrammen. Dafür wurden sie optimiert. Mit der Einführung des Rückkanals wurden auch Internetzugänge möglich. Der „lineare“ Fernsehkonsum tritt mehr und mehr hinter den Internetzugang zurück, wird aber zumindest in den nächsten Jahren weiter nachgefragt werden. Höhere Qualität wie Ultra HDTV (4K) oder sogar 8K werden aber den Bandbreiten-Hunger im Consumer-Bereich weiter steigen lassen und „Bewegt-Bild frisst Bandbreite“.

Ein großer Mehrwert der Netze liegt heute in den erreichbaren Bitraten und ganz besonders in den zukünftig noch höheren Werten, die über die DOCSIS-Standards erreicht werden können. Diese im Kabel erreichbaren Werte sind deutlich höher als jene bei DSL/VDSL im Vectoring oder Supervectoring.

Zweidrahtnetze (die sog. Kupfer-Doppelader) und auch Koaxialnetze wurden nicht für Datendienste konzipiert. Beide werden dennoch heute erfolgreich dafür genutzt. Noch haben die Koaxialnetze im hohen Bitratenbereich bessere physikalische Bedingungen als Zweidrahtnetze, weshalb ihre wirtschaftlich nutzbaren Bitraten länger der Konkurrenz der Glasfaser standhalten.

Für die Wirtschaftsüberlegungen hat sich der Fokus von den Verteildiensten zu schnellen Datendiensten verschoben. Die grundsätzliche Denkweise, das Paradigma, liegt heute bei Diensten, für die die Netze ursprünglich nicht errichtet wurden.

Der Wechsel der vorhandenen Brückentechnologien sollte selbstbestimmt vorgenommen werden, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Dafür bedarf es eines klaren Migrationsszenarios, das alle Eventualitäten eines solchen Technikwechsels berücksichtigt.

Autoren: Dietmar Schickel | Prof. Dr. Claus Adams
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