Interview mit Martin Langenmaier und Peter Mair, „die Sozialbau“ Wohnungs- und Städtebau GmbH, Kempten
Bereits seit Ende 2021 beschäftigte sich „die Sozialbau“ mit der Umgestaltung ihrer Medienversorgung. Bedingt durch das Inkrafttreten der TKG-Novelle ergaben sich konkrete Fragenstellung zur bisherigen Versorgung – was passiert mit der bisherigen Sammelvertragsabrechnung des TV-Angebotes über die Betriebskosten – kann diese fortgesetzt werden und wie geht man mit den bereits bestehenden Verträgen für einen Glasfaseranschluss in den Liegenschaften um.
Als eines der großen kommunalen Wohnungsunternehmen in Bayern geht es dem Wohnungsunternehmen auch immer um den sozialen Aspekt im Rahmen der Vermietung und natürlich soll auch das Unternehmen selbst die zukünftigen Herausforderungen zu akzeptablen Bedingungen meistern können.
Mit einer Entscheidung für die Aufrechterhaltung der TV-Versorgung über die vorhandene Infrastruktur mit dem bisherigen Betreiber und dem parallel vereinbarten Ausbau einer durchgehenden Glasfaser-Infrastruktur durch einen regionalen Betreiber von Telekommunikationsdienstleistungen bis zu den Wohnungen (FTTH), hat „die Sozialbau“ einen innovativen Weg zur zukünftigen Versorgung ihres Bestandes eingeschlagen.
Die Ausgangssituation:
Die Ausgangssituation: Die Sozialbau Kempten Wohnungs- und Städtebau GmbH, kurz „die Sozialbau“, bewirtschaftet ca. 7.400 Miet- und Eigentumswohnungen in Kempten und Immenstadt und ist eine der größten Gewerbevermieter im Allgäu. Die bisherige Telekommunikationsversorgung der Mieter erfolgte zum einen über die ausgebaute koaxiale Infrastruktur und zu geringen Teilen bereits über Glasfaser bis in die Wohnungen. Die Abrechnung der TV-Entgelte über die koaxiale Infrastruktur wurde dabei im sogenannten „Sammelinkasso“ durchgeführt. Die Glasfaseranschlüsse bis in die Wohnungen beziehungsweise die bereitgestellten Produkte wurden vereinzelt von interessierten Mietern beauftragt und auch direkt mit einem weiteren Betreiber abgerechnet.
Da „die Sozialbau“ bisher einen Mehrwert durch die Abrechnung der TV-Entgelte generieren konnte, verursacht der Wegfall der Abrechnung über die Betriebskosten auch eine Reduzierung der erwirtschafteten Erträge. Hinzu kam die Notwendigkeit, bezüglich des weiteren Glasfaserausbaus eine generelle Entscheidung über eine zukünftige Telekommunikationsversorgung treffen zu müssen.
Durch die bereits frühzeitige Einbindung von DSC Diemar Schickel Consulting war es möglich nach gemeinsamen Workshops und intensiven Diskussionsrunden die vorhandene Komplexität zu reduzieren und eine innovative Strategie zur Versorgung der gesamten Bestände unter Berücksichtigung auch der wirtschaftlichen Interessen des Wohnungsunternehmens zu erarbeiten. Mit einem auf dieses Ziel ausgerichteten Ausschreibung wurden zudem verschiedene Anbieter zur Beteiligung aufgefordert.
Das Ergebnis:Unter der Prämisse der sozialen Verträglichkeit bei annähernd gleichen wirtschaftlichen Bedingungen für „die Sozialbau“ konnte mit zwei Betreibern neue Regelungen vereinbart werden. Zum einen wird weiterhin die TV-Versorgung im bisherigen DVB-C Standard über die vorhandene koaxiale Infrastruktur im „Einzelinkasso“ zu günstigen Bedingungen garantiert und zum anderen ein Migrationskonzept vereinbart, das den zukünftigen Ausbau aller Liegenschaften und Wohnungen mit Glasfaser gewährleistet.
DSC-News führte ein Interview mit Martin Langenmaier und Peter Mair.
DSC-News:
Sie haben sich als Unternehmen bereits sehr frühzeitig mit der Thematik Glasfaserausbau und Wegfall der Umlagefähigkeit von Kabelentgelten auseinandergesetzt und alle Möglichkeiten durchdacht. Wie kam es jetzt zu der doch etwas ungewöhnlichen Lösung mit zwei Betreibern die zukünftige Medienversorgung ihrer Mieter umzusetzen?
Martin Langenmaier:
Tatsächlich haben wir schon seit 2014 das Thema Glasfaserausbau im Blick und einen Vertrag mit einem bundesweit agierenden Anbieter geschlossen. Das Interesse unserer Mieter war aber die letzten Jahre noch etwas zurückhaltend und hat erst mit dem Inkrafttreten der TKG-Novelle etwas an Fahrt aufgenommen. Gleichzeitig mussten wir uns mit dem Wegfall der Abrechnungsmöglichkeit über die Betriebskosten auseinandersetzen und prüfen, ob und wie gegebenenfalls doch noch die Abrechnung über einen Sammelvertrag ermöglicht werden könnte.
DSC-News:
Welche Vorstellungen hatten Sie zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben?
Peter Mair:
Da wir im Sammelinkasso für unsere Mieter wirklich gute Konditionen realisiert hatten und zudem noch Vorteile aus der Zusammenarbeit mit einem Anbieter erzielen konnten, waren wir natürlich daran interessiert, die bisherige Abrechnungsform beizubehalten und möglichst keine Änderungen vornehmen zu müssen. Bei der intensiven Auseinandersetzung mit dieser Thematik haben wir allerdings festgestellt, dass dieser Weg sehr risikoreich für unser Unternehmen gewesen wäre, zumal wir uns umfassend haben beraten lassen und sehr schnell die Nachteile einer solchen Vorgehensweise erkannt haben.
Martin Langenmaier:
Der bisherige Betreiber hat uns sehr attraktive Möglichkeiten zur Fortsetzung der Zusammenarbeit angeboten, aber wir hatten Zweifel, dass der Abschluss einzelvertraglicher Regelungen zur TV-Versorgung durch uns oder die Erhöhung der Kaltmiete der richtige Weg wären, den Sammelvertrag fortzuführen. Das Risiko von Kündigungen einzelner Mieter hätte zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand und zu gestiegenen durch uns zu leistenden Entgelten geführt, was wir nicht tragen wollten.
DSC-News:
Sie sprechen vom sogenannten „Opt-Out Recht“ eines Mieters, der mindesten 24 Monate in ihrem Bestand wohnt und die TV-Entgelte weiterhin an Sie leisten würde und danach monatliches Kündigungsrecht hätte.
Martin Langenmaier:
Genau – diese Regelung in der TKG-Novelle hat uns doch sehr überrascht, eine risikofreie Planbarkeit wäre damit kaum gegeben. Wenn Mietervereine und der Verbraucherschutz aktiv zu diesem Thema Wegfall der Umlagefähigkeit berichten, ist davon auszugehen, dass es auch zu Kündigungen kommen würde.
Peter Mair:
Nach den Workshops mit DSC wurde sehr schnell klar, dass wir diesen Weg nicht gehen wollten, auch wenn dadurch wirtschaftliche Einbußen für unser Wohnungsunternehmen hinzunehmen wären. Außerdem mussten wir auch eine Entscheidung zur weiteren Vorgehensweise beim Ausbau der Glasfaser in unseren Beständen treffen. Wir haben sogar darüber nachgedacht, selbst die Glasfaserinfrastruktur bis in die Wohnungen zu errichten, um damit vielleicht ein neues Geschäftsmodell aufsetzen zu können.
DSC-News:
Auch hier hat der Gesetzgeber einige Hürden aufgestellt, die es nicht einfach machen, als Wohnungsunternehmen selbst den Glasfaserausbau bis in die Wohnungen vorzunehmen. Wie haben Sie sich hier entschieden?
Martin Langenmaier:
Es war uns sehr schnell klar, dass ein weiter so wie bisher, geringe Nachfrage und kaum Transparenz beim Thema Glasfaserausbau nicht das war, was wir wollten. Auch die Erhebung eines Glasfaserbereitstellungsentgeltes wollten wir auch aus sozialer Verantwortung gegenüber unseren Mietern nicht umsetzen. Durch die Möglichkeit der Sonderkündigung des bisherigen koaxialen Sammelvertrages und einer zeitlich passenden Kündigungsmöglichkeit gegenüber dem aktuellen Alt-Betreiber der Glasfaserinfrastruktur haben wir uns dann entschlossen, eine kombinierte Ausschreibung zum Weiterbetrieb der koaxialen Infrastruktur bei parallelem Aufbau einer Glasfaser bis in die Wohnungen vorzunehmen. Dafür haben wir dann ebenfalls die Unterstützung von DSC Consulting in Anspruch genommen und intensiv in diversen Abstimmungsrunden die Ausschreibungsziele skizziert.
DSC-News:
Wie war die Resonanz und das Ergebnis der Ausschreibung – die Ausschreibung sollte ja den Grundstock für eine zukünftige Medienversorgung schaffen; d.h. eine attraktive TV-Versorgung Ihrer Bestände und ein attraktives Internetangebot mit wachsendem Bandbreitenangebot für ihre Mieter gewährleisten – sind Sie mit dem Ergebnis der Ausschreibung zufrieden?
Martin Langenmaier:
Absolut – es haben sich mehrere bundesweit und regional agierende Unternehmen beteiligt und ihr Interesse bekundet, was uns angenehm überrascht hat. Mit drei Anbietern sind wir dann in konkrete Bietergespräche eingestiegen und haben sehr detailliert die Angebote diskutiert und dann festgestellt, dass doch noch erheblich nachgebessert werden musste. Die dann eingereichten endgültigen Angebote zweier Anbieter haben uns aber dann überzeugt. Wir haben für unsere Mieter ein ausgezeichnetes Ergebnis bei der weiteren TV-Versorgung über die koaxiale Hausverteilanlage erzielt und auch unsere Unterstützung wird entsprechend finanziell gewürdigt. Außerdem haben wir einen Vertrag zum 100% Ausbau unserer Bestände mit Glasfaser bis in die Wohnungen mit einem zweiten regionalen Anbieter abschließen können. Dabei wurden dort ebenfalls unsere Vorstellungen und Wünsche weitgehend akzeptiert und auch bei diesem Vertrag wird unsere unterstützende Begleitung bei allen Maßnahmen ausreichend gewürdigt. Die Ergebnisse wurden dann von DSC unserem Aufsichtsrat präsentiert. Dort war man sehr schnell der Meinung, dass hier sehr gute Ergebnisse erzielt wurden!
DSC-News:
Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch!
Die Sozialbau – Heimat neu leben!
Die Sozialbau ist das kommunale Wohnungsunternehmen der Stadt Kempten und hat seit ihrer Gründung im Jahr 1956 zusammen mit Tochtergesellschaften rund 9.000 Wohnungen und Eigenheime errichtet. Über 17.000 Menschen leben und arbeiten in den rund 7.400 verwalteten Wohn- und Gewerbeeinheiten auf etwa 569.000 m² Wohn- und Gewerbeflächen der Sozialbau.
Seit Jahrzehnten werden Neubauprojekte und Baubetreuungsmaßnahmen von uns verwirklicht. Werkstätten für Behinderte, Schulgebäude, Jugendheime, Altenpflegeplätze wurden ebenso gebaut wie Kindergärten, Bankgebäude oder Ladengeschäfte und Parkhäuser. Für eine ganzheitliche Quartiersbelebung sorgen wir unter anderem mit dem Bau von Eigenheimen und Eigentumswohnungen.
Bis zum Jahr 2023 errichtet Sozialbau mit der Wohnbau-Offensive 2023 rund 770 neue Wohnungen in Kempten. Weitere wesentliche Kernaufgabe der nächsten Jahre ist die ganzheitliche Modernisierung für qualitativ hochwertigen und zeitgemäß energetischen Wohnraum. In den vergangenen 15 Jahren wurden hier bereits stattliche 145 Mio. Euro zur stetigen Qualitätsverbesserung investiert.
Ziel der Sozialbau ist, das städtische Wohnen, Leben und Arbeiten attraktiv und lebenswert zu gestalten. Wir stellen höchste Ansprüche an moderne Architektur, innovatives Bauen und bewirtschaften unsere Immobilien nachhaltig und innovativ. Menschlich und verantwortlich, wirtschaftlich und zukunftsfähig – das sind wir, die Sozialbau.