„Bewegung im Kabelmarkt“ MediaLABcom, Ausgabe 54
Bewegung im Kabelmarkt: Das Rad dreht sich schneller
Ohne größeres Aufsehen hat die Deutsche Telekom im Dezember 2017 verkündet, in Österreich die dortige Liberty-Global-Tochter UPC zu übernehmen. Zwar steht die kartellrechtliche Freigabe noch aus, aber damit wird wohl erst in der zweiten Hälfte dieses Jahres zu rechnen sein. Mit fast 650.000 Haushalten und einer Bewertung von 1,9 Milliarden Euro ist das ein großer Schritt der Telekom in Sachen Kabel. Auch wenn in Österreich der Telekommunikations- und Breitbandmarkt größtenteils anders strukturiert ist als in Deutschland, zeigt dies doch eine bemerkenswerte Entwicklung auf.
Nach dem nicht ganz freiwilligen Verkauf der Kabelnetze in Deutschland hatten Branchenexperten immer wieder darauf hingewiesen, dass eigentlich von Seiten der Telekom das falsche Netz verkauft worden sei. Mit Hinblick auf die Übertragungsgeschwindigkeiten der alten Kupfer-Doppelader in Bezug auf die schnelleren HFC-Verbindungen (Hybrid Fibre Coax) ein durchaus ernst gemeinter Hinweis. Telekom-Chef Tim Höttges macht mit dem Zukauf klar, dass die Kabelinfrastruktur auch in Deutschland wieder sehr schnell im Fokus stehen kann, zumal ein eigenes Telekom-Kabelunternehmen mit kombinierter Glasfaser- und Koaxialtechnik bereits wohnungswirtschaftliche Kunden mit aggressiven Angeboten umgarnt und erste Erfolge verzeichnet. Mit dem Österreich-Deal kommt aber auch wieder grundsätzlich Bewegung in das Thema Konsolidierung des Kabelmarktes in Deutschland.
Einzelfall Niederlande?
Nachdem Vodafone als klassischer Mobilfunkanbieter 2013 Kabel Deutschland erworben hatte, blieb es lange bei Mutmaßungen, wie es bei der Marktkonsolidierung weitergehen würde. Spekulationen über ein Zusammengehen von Unitymedia und Vodafone Kabel Deutschland rissen nicht ab, teilweise auch durch Kommentierungen der Unternehmensbosse befeuert und dann wieder umgehend negiert. Formell wurde 2015 erklärt, dass sich Vodafone und Liberty Global nicht auf eine einvernehmliche Bewertung ihrer Unternehmen hätten einigen können und damit die Verhandlungen beendet wären. In den Niederlanden hatte man sich allerdings im Vorfeld bereits geeinigt und dort das Gemeinschaftsunternehmen Vodafone Ziggo aus der Taufe gehoben, das zwischenzeitlich einen Marktanteil von 30 Prozent innehält.
Obwohl das Zusammengehen in den Niederlanden von Liberty-Global-CEO Mike Fries als Einzelfall deklariert wurde, gibt es jetzt keine Zweifel mehr. Das Konsolidierungsrad dreht sich wieder schneller! Nach einem Bericht der Financial Times hat Vodafone bestätigt, dass man insbesondere auf dem europäischen Festland eine Neuordnung überlappender Aktivitäten von Liberty Global und den eigenen Vermögenswerten anstrebt. Ein Zusammengehen in Deutschland bietet sich dabei auf jeden Fall an.
Verzicht auf Synergien
Mit der stillschweigend akzeptierten Grenzziehung beim Kabelangebot zwischen den Bundesländern NRW, Hessen und Baden-Württemberg auf Seiten Liberty mit der Tochter Unitymedia und den restlichen Bundesländern auf Seiten Vodafone Kabel Deutschland reduziert man heute nicht nur das eigene Wachstum, sondern verzichtet auch auf wichtige Synergien im Wettbewerb gegenüber der Telekom. Das kombinierte Angebot von Mobilfunk, Internet und TV wird für die Telekommunikationsunternehmen immer wichtiger und im Hinblick auf den Aufbau leistungsstarker 5G-Netze werden glasfaserbasierende Backbone-Netze nicht unerhebliche Investitionen verschlingen. Als ernsthafte alternative Anbieter kommen dabei nur Vodafone und Liberty Global in Frage.
Übernahmekandidat Tele Columbus
Aber der Kabelmarkt bietet noch weitere Möglichkeiten zur Konsolidierung. Mit der Tele Columbus AG ist ein weiterer börsennotierter, bundesweit tätiger Anbieter aktiv, der bereits eine erste Übernahmewelle mit dem Erwerb von Primacom und Pepcom eingeleitet hat und mit Akquisitionen von kleineren Kabelnetzbetreibern weiteres Wachstum generiert. Nur wenn ein Deal auf deutscher Ebene zwischen Vodafone und Liberty Global nicht zum Tragen kommt, könnte hier einer der beiden großen Betreiber erneutes Interesse an einer Übernahme von Tele Columbus zeigen.
Tendenziell wäre dann kartellrechtlich wohl eher Unitymedia als Liberty-Global-Tochter in der Lage, den Berliner Kabelnetzbetreiber zu übernehmen, da damit in 13 Bundesländern erstmals direkter Wettbewerb zwischen Vodafone und Unitymedia entstünde. Umgekehrt dürfte sich dies schwieriger gestalten, da Tele Columbus einen starken Footprint im Vodafone-Bereich hat und eine kartellrechtliche Freigabe sich eher schwierig gestalten würde.
Welche Rolle spielt United Internet?
Allerdings ist auch dem größten Aktionär der Tele Columbus Gruppe, United Internet, besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Sofern Tele Columbus zum Objekt der Begierde wird und beispielsweise eine Telekom in dem für sie nicht regulierten Kabelmarkt Interesse am Erwerb von Tele Columbus zeigt, dürfte sich der 28-prozentige Anteil vom Wert her vervielfachen.
Sollte sich jedoch kein Käufer interessieren, könnte United Internet selbst eine 100-Prozent-Übernahme anstreben und damit seine eigene Netzinfrastruktur ausbauen sowie das Kundenpotenzial erhöhen. Mit der Tochter 1&1 Versatel gäbe es zudem Synergien beim Zusammengehen mit der Tele-Columbus-Tochter HLkomm, die ebenfalls ein besonderes Augenmerk auf Businesskunden hat.
Schwere Zeiten für kleine Kabelnetzbetreiber
Für alle kleineren Kabelnetzbetreiber wird es auf jeden Fall eng – mit der verstärkten Konzentration auf Internetangebote mit hohen Bandbreiten, den dafür notwendigen Investitionen und den Herausforderungen neuer gesetzlicher Regelungen ist es schwierig weiterhin am Markt mithalten zu können, zumal mit Stadtwerken und alternativen Glasfaseranbietern die nächsten Wettbewerber in den Startlöchern stehen.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob es tatsächlich eine Neuordnung der europäischen Aktivitäten zwischen Vodafone und Liberty Global geben wird. Die Auswirkungen, wie auch immer sie ausfallen sollten, werden auch auf dem deutschen Telekommunikations- und Breitbandmarkt eine weitere Beschleunigung der Konsolidierung bewirken.
Dietmar Schickel ist seit 2014 geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens DSC Dietmar Schickel Consulting, das sich mit Themen des digitalen Quartiersmanagements auseinandersetzt und insbesondere Immobilienunternehmen bei ihrer zukünftigen Medienausstattung berät. Zuvor war Schickel 27 Jahre Geschäftsführer eines bundesweit tätigen Kabelnetzbetreibers und einer der Männer der ersten Stunde im deutschen Kabel-TV Geschäft. Als Buchautor und mit diversen Fachveröffentlichungen zur Entwicklung des zukünftigen Wohnens ist er in zahlreichen Publikationen und regelmäßig als Redner bei Veranstaltungen im medien- und wohnungswirtschaftlichen Umfeld vertreten.